Wenn man in einer lockeren Runde, selbst mit einer renommierten Ökonomin aus der Schweiz, nach der kommenden EZB Politik fragt, dann scheinen die Antworten einhellig und eher oberflächlich. Selbst die anwesende Ökonomin, die sich eher im Fachbereich Ökonometrie aufgehoben sieht, meinte nur, dass die aktuelle Politik nicht lange so weitergehen könnte.
Dieses Gespräch fand übrigens nach der jüngsten Pressekonferenz von Mario Draghi am 8. Juni 2017 statt. Doch welche Anzeichen sind bei genauerer Betrachtung tatsächlich zu erkennen? Was ließ der EZB-Chef im Juni in Tallinn tatsächlich durchscheinen? Auf welche Entwicklungen müssen sich Sparer und Kreditnehmer einstellen?
Wie sehen die allgemeinen Eckdaten aus?
Bevor wir uns mit den eigentlichen Aussagen der europäischen Zentralbanker beschäftigen, wollen wir die Eckdaten prüfen, auf deren Entwicklung sich die EZB-Entscheidungen größtenteils stützen sollen. Eine sehr wichtige Kennzahl ist traditionell die Inflation.
Schon die deutsche Nationalbank legte immer sehr großen Wert auf die Einhaltung eines bestimmten Inflationsziels. Die EZB, die sich ebenfalls in Frankfurt befindet, versuchte seit ihrer Gründung diese Tradition fortzusetzen.
Im Februar erreichte die Inflation in der Euro-Zone (19), sprich in den EU-Staaten, in denen der Euro verwendet wird, tatsächlich schon einmal den Traumwert von 2 %. Genau so hoch soll die Inflation sein, um den Konsum und die Investitionen ausreichend anzukurbeln, während der Wertverfall nicht zu groß ist, um sämtliche Anreize für das Sparen zu zerstören.
Für das ganze Jahr 2017 wird eine Inflation von 1,6 % prognostiziert. Im Jahr 2016 waren es nur 0,2 %. Wir sehen folglich ein riesiges Wachstum dieses Wertes, das auf mehrere Ursachen zurück zu führen ist.
Hinweis: Im Mai zeigte das Inflationsbarometer laut Eurostat genau die 1,6 % der Jahresprognose an.
Die höhere Inflation im Jänner und im Februar hatte bestimmt teilweise mit den steigenden Ölpreisen zu tun, die jedoch wieder im Sinken begriffen sind und keine weiteren Impulse für das restliche Jahr mehr geben werden.
Viel entscheidender ist jedoch der anhaltende Wirtschaftsaufschwung in Europa und in der Welt. Im Euroraum legte das Wirtschaftswachstum um ganze 0,6 Prozent zu. Das führt zu einem allgemeinen Rückgang der Arbeitslosen in der Euro-Zone. Allein ein Rückgang um 0,2 % ist seit Anfang des Jahres zu verzeichnen.
Unternehmen müssen demnach wieder stärker um gute Arbeitskräfte kämpfen und das geschieht unter anderem über höhere Löhne oder großzügige Sonderleistungen. Dies erhöht wiederum die Produktionskosten und erklärt die ansteigende Inflation auf die aktuellen Werte. Die wirtschaftlichen Eckdaten deuten also sehr stark eine Zinserhöhung an. Mario Draghi scheint diese Einschätzung im Juni jedoch nicht bestätigen zu wollen.
Was meinte Mario Draghi zur kommenden Pressekonferenz?
Zuerst meinte der EZB-Chef, dass die Zinsen aktuell nicht angehoben werden. Das ist keine Überraschung. Dann betonte der Italiener, dass das aktuelle Zinsniveau wohl noch länger als das Anleihenankaufsprogramm beibehalten werden soll. Dieses Programm soll scheinbar bis mindestens Dezember 2017 weiterlaufen.
Hinweis: Hier geht es zur ganzen Pressekonferenz.
Gleichzeitig rückte Draghi, wie es seine Gewohnheit ist, die Inflationsrate als Hauptbegründung in den Vordergrund. Das Gremium der EZB wird die Zinspolitik erst ändern, wenn es eine mittelfristige Inflationsrate von knapp 2 % erkennt. Aber ganz genau darauf steuern wir derzeit sehr stabil zu, denn selbst während fallender Ölpreise halten wir derzeit den Wert von 1,6 %. Es wäre also keinesfalls irrsinnig, anzunehmen, dass die Kehrtwende kurzfristiger bevorsteht, als die EZB öffentlich zugeben möchte.
Wie werden sich die Zinsen nun entwickeln?
Von einer Trendwende gehen auch viele große Banken aus. Die Experten der Barclays Bank sprechen beispielsweise von gleich zwei Zinsschritten nach oben im kommenden Jahr 2018. Hinzu kommen bereits eindeutige Anzeichen auf Terminkontrakte für den März 2018, die bereits zu höheren Werten zu zeichnen sind.
In diesem Jahr wird sich logischerweise noch nicht viel tun, denn bevor eine Zinsanhebung möglich ist, muss das APP erst deutlich zurückgefahren werden. Dieses Anleihenankaufprogramm drückt nämlich die Zinsen nochmal künstlich unter den aktuellen Leitzins von 0 Prozent.
Erst wenn diese Sondermaßnahme aufgehoben ist, kann der eigentliche Hauptrefinanzierungssatz angegangen werden. Aber wenn wir alle derzeitigen Anzeichen, inklusive der bevorstehenden Wahl in Deutschland, mutig deuten, könnte bereits eine maßgebliche Einschränkung des APP im September zumindest in kurzfristige Aussicht gestellt werden. Schon allein dieser Schritt hätte wesentliche Auswirkungen für die Kapitalmärkte.
Was bedeuten die aktuellen Zinszeichen am Horizont für Sparer und Kreditnehmer?
Sparer können leider noch nicht allzu schnell aufatmen. Obwohl ein Rückgang des Anleihenankaufprogramms die vorhandene Geldmenge in der Euro-Zone verringern würde und demnach das Sparkapital für die Banken wieder wertvoller wird, dürfte die Erhöhung der Sparzinsen noch etwas länger auf sich warten lassen. Banken besitzen viele andere Wege um zumindest kurzfristig ausreichend Kapital zu erhalten. Auf den Kreditmärkten sieht es hier ganz anders aus.
Hinweis: Eine Erhöhung bei den Festgeldzinsen bei einer Bindung von mindestens 2 Jahren könnte jedoch schon dieses Jahr eintreten, wenn die EZB- Politik diese Richtung einschlägt.
Die Santander Consumer Bank ist ein schönes Beispiel, wie vorausschauend professionelle Banken auf die zukünftige Zinspolitik reagieren. Schon im November 2016 senkte diese Direktbank ihre Kreditzinsen, obwohl erst im Dezember 2016 das APP ausgeweitet wurde.
Die Zeichen waren am Horizont schon klar für die Bank zu erkennen. Ähnlich wird es sich im Umkehrschluss verhalten. Schon bevor die Einschränkung des APP oder eine Zinserhöhung verlautbart werden, werden die Banken auf zweierlei Arten reagieren:
- Die Zinsen werden im Voraus erhöht.
- Die Aufschläge für Fixzinskredite werden steigen.
Aus diesem Grund und angesichts der aktuellen Konjunkturdaten sollten sich potentielle Kreditnehmer sehr gut überlegen, wie schnell sie noch einen Fixzinskredit aufnehmen möchten, um sich einen Wohntraum oder lange gehegten Wunsch zu erfüllen. Die Chancen sind nämlich nicht gering, dass Finanzierungen bald wieder teurer werden. Über das kann auch das steinerne Gesicht von Mario Draghi kaum hinwegtäuschen.
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